Elektrische Antriebe für die Industrie und Antriebstechnik für die Elektromobilität: Dies sind Forschungsschwerpunkte des Bayerischen Technologiezentrums für elektrische Antriebstechnik (E-Drive-Center), das seinen Sitz im Nürnberger Gewerbepark „Auf AEG“ hat. Im Jahr 2010 nahm die Einrichtung ihren Betrieb auf als Forschungsbereich des Lehrstuhls für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik (Faps) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). Der Freistaat Bayern hatte die Errichtung des E-Drive-Centers im Zuge des Strukturprogramms Nürnberg-Fürth, das nach der Quelle-Insolvenz aufgelegt wurde, mit einer Anschubfinanzierung von neun Mio. Euro gefördert. Die IHK Nürnberg für Mittelfranken hat im Rahmen ihres „Zukunftsprogramms Mittelfranken 2025“ vom Juni 2018 dem Freistaat Bayern empfohlen, die Förderung des E-Drive-Centers fortzusetzen.
Die 17 Wissenschaftler sind gleichermaßen in der Grundlagenforschung und mit Industrieprojekten aktiv, um neue Forschungsergebnisse schnell in die industrielle Anwendung zu bringen. Nach Worten von Forschungsbereichsleiter Dr.-Ing. Alexander Kühl ist es dem E-Drive-Center gelungen, die gesamten Personalkosten über Drittmittel zu decken. Hierfür wurde eine Reihe von Förderprojekten des Bundeswirtschaftsministeriums gewonnen. Dazu zählt beispielsweise das im letzten Jahr gestartete Projekt „High-V: Entwicklung von Fertigungsprozessen für den elektrischen Hauptantriebsstrang (ca. 150 kW) mit E-Motor und Brennstoffzellen-Batterie-Hybrid“. Aufgezeigt werden soll, wie eine hoch flexible und hoch automatisierte Fertigung von leistungsfähigen elektrischen Antrieben gestaltet werden kann, die für den Einsatz in der zivilen Luftfahrt geeignet sind.
Spulen für Elektromotoren
Großes Know-how haben die Wissenschaftler bei der Analyse und Optimierung von industriellen Verfahren, um die Fertigung von Komponenten und Systemen für die elektrische Antriebstechnik zu verbessern. Dazu gehören zum Beispiel unterschiedliche Wickelverfahren, mit denen isolierter Kupferdraht zu einer Spule etwa für den Antrieb eines Elektromotors aufgewickelt wird. Um die Werkzeugkosten bzw. den großen Umrüstaufwand bei Kleinserien in der industriellen Fertigung zu senken, entwickelt das E-Drive-Center u. a. ein Robotersystem für das Aufwickeln. Im Labor „Auf AEG“ findet sich eine innovative Universalwickelmaschine, die verschiedene Wickelschemata ermöglicht und sich flexibel an wechselnde Geometrien anpassen lässt.
In der Automobilindustrie rücken halboffene Formspulen, sogenannte Hairpins, in den Fokus. Wegen deren wachsender Bedeutung tüftelt das E-Drive-Center beispielsweise an der Weiterentwicklung des Laserschweißens oder am innovativen Ultraschallschweißen zum Kontaktieren von Kupferlackdrähten. Beim Laserschweißen wird auch der Einsatz von Big Data erprobt – also die Erfassung und Verarbeitung einer Vielzahl von Daten inklusive akustischer Signale. Verfahren des maschinellen Lernens werden eingesetzt, um den Prozess des Laserschweißens kontinuierlich zu verbessern. Dieser Ansatz könnte auch auf die Wickelverfahren übertragen werden, um die Geschwindigkeit zu steigern, den Kupferverbrauch zu senken und gleichzeitig eine möglichst geringe Fehlerquote zu erreichen. Laut Kühl betritt das E-Drive-Center mit dem großen Big-Data-Forschungsthema für den Elektromaschinenbau „definitiv Neuland“.
In Nordbayern sieht Kühl eine große Zahl an Unternehmen, die im Elektromaschinenbau aktiv sind und mit denen das E-Drive-Center einen intensiven Austausch pflegt. Darunter sind auch zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen. Kooperiert wird beispielsweise im Rahmen von Master-Arbeiten oder längerfristig bei Promotionen.
In internationalen Expertenkreisen hat sich das E-Drive-Center auch durch seine wissenschaftlichen Veranstaltungen einen Namen gemacht: Initiiert wurden das jährliche Seminar „Produktion elektrischer Antriebe“ und die internationale Fachkonferenz „Electric Drives Production Conference“ (E-DPC). Diese Konferenz mit begleitender Ausstellung, die Ende des Jahres bereits zum neuen Mal stattfinden wird, ist nach Worten Kühls weltweit einzigartig und schlage eine Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis.
Zudem veranstalten die Forscher Tage der offenen Tür und nehmen an Veranstaltungen wie der „Langen Nacht der Wissenschaften“ oder dem Standort-Event „Offen Auf AEG“ teil, um nicht nur Wissenschaftler, sondern auch die interessierte Öffentlichkeit über ihre Arbeit zu informieren.