Die Metropolregion Nürnberg ist bei neuen Technologien und Dienstleistungen für die Elektromobilität gut unterwegs. Ein Überblick über die wichtigsten Projekte.
Die Elektromobilität ist ein Kernbestandteil der Mobilitätswende, die sich weltweit ankündigt. Das sehen auch die Experten der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ so, die die Bundesregierung berät: Sie rechnen mit einem Durchbruch der elektrischen Fahrzeuge zwischen 2020 und 2030. Derzeit sind laut Kraftfahrtbundesamt rund 54 000 E-Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen unterwegs, darunter 34 000 ausschließlich elektrisch angetriebene Pkw sowie 21 000 Plug-in-Hybride (Fahrzeuge, deren Akku sowohl über den Verbrennungsmotor als auch über die Steckdose geladen werden kann). In Mittelfranken sind knapp 1 000 Pkw zugelassen, die ausschließlich elektrisch angetrieben werden. Auch wenn der Verbrennungsmotor auf absehbare Zeit seine Bedeutung für den Verkehr behalten wird und die bisherigen Ziele zu ehrgeizig erscheinen (bis 2020 eine Mio. Elektroautos auf deutschen Straßen), muss bereits heute der schrittweise Übergang zu neuen Technologien gestaltet werden.
Das Entwicklungsleitbild der Europäischen Metropolregion Nürnberg (EMN) setzt deshalb auf das Kompetenzfeld „Automotive“ sowie das Aktionsfeld „Intelligente Mobilität“. Die Schwerpunkte darin sind: automatisiertes Fahren, Umweltverträglichkeit, intelligente Netze, altersgerechte Mobilität und hybride Antriebssysteme inklusive E-Mobilität. Mit ihrem breiten Mix an unterschiedlichen Zulieferern ist die Metropolregion bestens aufgestellt, um diese und weitere Zukunftsthemen voranzutreiben und entscheidend zu prägen. Die Herausforderung besteht darin, vorhandene Strukturen zu vernetzen sowie innovative Konzepte zu entwickeln und in die Praxis zu übertragen.
Ein Beispiel bietet die Conti Temic Microelectronic GmbH am Standort Nürnberg, an dem allein 500 der rund 2 500 Mitarbeiter mit allen Facetten der Elektrifizierung beschäftigt sind. Seit Oktober 2016 wird dort der weltweit erste 48-Volt-Hybrid-Antrieb in Serie gefertigt. Bei der Technik handelt es sich um eine besonders kosteneffiziente Lösung, um Kraftstoffverbrauch und Abgasemissionen deutlich zu senken. Die 48-Volt-Variante ist dabei eine Alternative zu der wesentlich aufwändigeren Hochvolttechnik mit 300 bis 400 Volt, die bisher üblicherweise in Hybridfahrzeugen verwendet wird. Seit 2013 entwickelten die Ingenieure bei Continental in Nürnberg diesen Hybridantrieb gemeinsam mit Renault sowie regionalen Partnern wie dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelemente-Technologie (IISB) und dem Bayerischen Laserzentrum (beide mit Sitz in Erlangen).
Aktivitäten der IHK
Um Kooperationsmöglichkeiten für die regionalen Anbieter, Anwender und Entwickler zu schaffen und den Wissensaustausch zu fördern, bietet die IHK Nürnberg für Mittelfranken zusammen mit den IHKs aus Coburg, Bayreuth, Regensburg und Würzburg-Schweinfurt seit dem Jahr 2013 den IHK-Innovations- und AnwenderClub E-Mobilität an (www.emobility-nordbayern.de). Schwerpunkte der beiden letzten Veranstaltungen bei der Deutschen Post AG in Würzburg und bei der Baumüller-Gruppe in Nürnberg waren Technologien und Einsatzbereiche von elektrischen Nutzfahrzeugen. Das große Potenzial von elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeugen beweist u. a. die Deutsche Post DHL Group: Sie baut ihre elektrischen betriebenen Lieferfahrzeuge „Streetscooter“ selbst und hat sich damit zu einem der größten Betreiber von E-Flotten in Europa entwickelt.
Beeindruckend war auch der Bericht des Unternehmens Heliox aus Eindhoven: Dort ging vor Kurzem die erste vollelektrische Busflotte mit 43 Fahrzeugen in Betrieb, die automatisiert mit Stromabnehmern über das Busdach geladen werden. Mit Hilfe des sogenannten „Opportunity Charging“ an den Endhaltestellen kann die Ladezeit auf wenige Minuten reduziert werden, wodurch der Fahrplan kaum beeinflusst wird. Dieses Beispiel aus der niederländischen Region Noord-Brabant, mit der die IHK eine enge Partnerschaft pflegt, ist ein Vorbild auch für Deutschland. Immerhin hat der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums eine Umrüstung von Stadtbussen auf Elektromotoren empfohlen, um Luftverschmutzung und Lärmbelastung zu reduzieren. Ein weiteres Beispiel für elektrische Nutzfahrzeuge sind Gabelstapler: Hier erreicht die Elektrifizierung bei neuen Fahrzeugen bereits einen Anteil von 60 Prozent. Auch bei Schiffen und Fähren und sogar bei Schneeraupen und Traktoren dürften künftig mehr elektrische Antriebe zum Einsatz kommen, um Treibstoffkosten zu reduzieren, Kohlendioxid-Emissionen zu verringern und Nebenantriebe wartungsarm und ohne Hydraulikflüssigkeiten einsetzen zu können. Aus der Metropolregion Nürnberg liefern u. a. die Baumüller Anlagen-Systemtechnik GmbH & Co. KG und die Semikron Elektronik GmbH & Co KG dafür die Elektromotoren und die Leistungselektronik zu. Die Motoren von Baumüller werden mittlerweile auch in batterieelektrischen Lkw der Firma Framo eingesetzt. Der 18 Tonnen schwere, elektrisch angetriebene Lastwagen hat mit einer voll geladenen Batterie eine Reichweite von 250 bis 270 Kilometern und kann eine Nutzlast von 9,5 Tonnen befördern.
Eine Übersicht aktueller Fahrzeugtypen sowie Informationen zu Fördermöglichkeiten bietet die Now GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie – eine Einrichtung, die die Programme der Bundesregierung in den Bereichen Elektromobilität sowie Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie koordiniert (www.now-gmbh.de). Ein flächendeckendes Netz an Ladestationen ist eine zentrale Voraussetzung für die Verbreitung der Elektromobilität und deren Akzeptanz. Der Ladeverbund Franken+, in dem sich neben der Nürnberger N-Ergie AG rund 40 weitere kommunale Stadtwerke zusammengeschlossen haben, betreibt aktuell rund 280 Ladepunkte. Damit hat dieser Ladeverbund die mit Abstand meisten Lademöglichkeiten in Nordbayern. Dies geht aus der aktuellen Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur hervor: In ganz Bayern sind bisher 450 Ladesäulen installiert, davon rund 100 alleine in Mittelfranken. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur bleibt aber auch weiterhin ein zentrales Thema. Bis Mitte kommenden Jahres will der Ladeverbund Franken+ die Anzahl der Ladepunkte nochmals verdoppeln (www.ladeverbund-frankenplus.de).
Einbindung der Bürger
Die Gesellschaft für Elektromobilität sensibilisieren und aktivieren – dieses Ziel verfolgt das Forschungsvorhaben Codifey („Community-basierte Dienstleistungs-Innovation für E-Mobility“), das im November 2016 in seine zweite Phase startete. Die wissenschaftliche Koordination des Projekts liegt bei Prof. Dr. Kathrin M. Möslein (Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik I – Innovation und Wertschöpfung an der Universität Erlangen-Nürnberg) und Prof. Dr. Barbara Dinter von der Technischen Universität Chemnitz. Dieses interdisziplinäre Projekt soll die Bürger informieren und innovative Dienstleistungen im Umfeld der Elektromobilität entwickeln. In einer ersten Projektphase konnten bereits zahlreiche Konzepte und Prototypen, wie eine Lade-App und ein Siegel zur Zertifizierung von Nachhaltigkeitsaspekten, entwickelt werden. Dabei arbeitet das Codifey-Team nicht im stillen Kämmerlein an Lösungen, sondern bezieht Nutzer von Elektromobilität und Interessenten aktiv in die Gestaltung von Dienstleistungen und die Generierung von Wissen ein. Über die Online-Plattform www.emobilisten.de kann jedermann Ideen beitragen, Erfahrungen austauschen und sein Wissen mit der Community teilen.
In der jetzigen zweiten Phase liegt der Fokus von Codifey darauf, Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Projekt in die Praxis zu überführen und so zur nachhaltigen „E-Mobilisierung“ der Gesellschaft beizutragen. Dabei arbeitet das Projektteam mit einer Vielzahl von Partnern (Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Verbände) zusammen.
https://ingenieurversteher.de/2017/05/18/blogparade_2017/